Architektur: KTH Architekten BDA, Heilbronn
Freianlagen: Knoll neues Grün, Holzgerlingen
STÄDTEBAU
Leitmotiv für die städtebauliche Neuordnung der Ortsmitte Auensteins ist neben der klimagerechten Transformation die Bildung einer Platzfolge mit klar gefassten Räumen und vielfältigen Aufenthaltsqualitäten, die ihren Dreh- und Angelpunkt in dem städtebaulich bedeutenden Baustein der Jakobuskirche finden. Durch die Ausbildung eines angemessen proportionierten Kirchplatzes vor der Giebelfassade der Kirche erhält das Gebäude ein repräsentatives Vorfeld, kann seine prägnante Ausstrahlung entfalten und dem Ort Relevanz verleihen. Der Sakralbau wird auf ein Plateau gestellt, um dem Gebäude innerhalb der Hangsituation einen sicheren Stand zu geben und es freizustellen. Die Platzfolge wird aus drei städtebaulichen Räumen gebildet, die sich von Süden nach Norden entlang der Giebelfassade der Jakobuskirche nach oben entwickeln und barrierefrei bzw. barrierearm verknüpft sind. Der südliche Auftakt der Platzfolge wird vom Rathaus kommend durch den Kelterplatz gebildet, der sich zwischen dem Gasthaus Krone und der Volksbank aufspannt. Mit einladender Geste verweist er auf die Kirche und lenkt den Blick auf eine großzügige Freitreppe zum Kirchplatz hoch. Darüber hinaus nimmt er einen evtl. gastronomisch nutzbaren Vorbereich für das Gasthaus Krone und einen Eingangsvorplatz für die Bankfiliale mit drei Stellplätzen auf. Der Platz wird lediglich für die Zufahrt zur Hanggarage und die Anlieferung des Gasthauses beschränkt befahren. Auf der Nordseite der „Krone“ wird unter einer neu gepflanzten Reihe von Kastanienbäumen der etablierte Biergarten weitergeführt. Er bekommt eine Erweiterung auf einem höher gelegenen Niveau, welches sich zum Kirchplatz orientiert und somit auf diesen ausstrahlt. Der Kirchplatz bezieht sich unmittelbar auf die Kirche und wird von Norden durch das neue ev. Gemeindehaus und von Westen durch eine ausgeprägte Baumkante und eine Schallschutzhecke gefasst. Er fügt sich flach in den Hang ein und ermöglicht somit neben seiner Bedeutung als identitätsstiftender, zentraler Verknüpfungspunkt im Ort vielfältige Bespielungen wie Konzertveranstaltungen, Märkte, Kirchengemeindeveranstaltungen oder einer Maibaumhocketse. Die öffentlichen Nutzungen in der Ortsmitte schaffen Raum für Begegnung, Kommunikation und Treff und lassen ein lebendiges und attraktives Ortszentrum mit hoher Aufenthaltsqualität für alle Generationen entstehen. Das neue ev. Gemeindehaus fasst einerseits den Kirchplatz ein und bildet andererseits das Rückgrat des Ensembles aus. Der Kirchgasse wird damit eine klare Führung verliehen, die mit der Kante des neuen Kirchgartens nördlich der Jakobuskirche fortgeführt wird. In diesem Bereich geht der zentral angelegte Kirchplatz fließend in den Grünraum des Friedhofs über. Ein in die Landschaftsstufen eingebetteter und von baumreihen flankierter Rampenweg führt von der Kirche barrierearm zur Aussegnungshalle, ohne die Grundstruktur des Friedhofs in Frage zu stellen. Es entsteht eine würdevolle und angemessene Anbindung der Aussegnungshalle. Dabei bleibt genügend Spielraum für eine bauliche Weiterentwicklung der Aussegnungshalle. Dieser intensiv begrünte Bereich nimmt mit seinen ansteigenden Landschaftsstufen naheliegende Nutzungen wie Sitzstufen für einen Gottesdienst im Grünen und einen Spielplatz mit Wasserelemente auf. Die Gebäudefigur des ev. Gemeindehauses nimmt die verschiedenen Richtungen der Achsen und der Kirche auf und übersetzt sie in eine polygonale Figur, die eine klassische Reihung von giebelständigen Häusern als Platzkante zitiert und sich somit trotz wesentlich geringerer Bauhöhe gegenüber der Kirche behauptet. Die Dachform gibt dem Gebäude eine klare Ausrichtung Richtung Kirchplatz.
ERSCHLIESSUNG
Ein wesentlicher Aspekt für eine hochwertige Aufenthaltsqualität in öffentlichen Aufenthaltsbereichen im Freien ist die Reduzierung des Verkehrs. Mit der Beschränkung der Kirchgasse auf Anliegerverkehr und der Sperrung des Kirchplatzes für den Verkehr werden zentrale Empfehlungen aus dem Verkehrsgutachten umgesetzt. Sie werden in Verbindung mit der Zusammenlegung der öffentlichen Stellplätze in einer zentralen Tiefgarage mit 21 Stellplätzen erreicht, die von der Hauptstraße aus angebunden ist. Zu Fuß gelangt man entweder über einen Fußweg entlang der Einfahrt oder über ein halböffentliches Treppenhaus mit Aufzug im Gemeindehaus von der Tiefgaragenebene auf den Kirchplatz. Ab dem Erdgeschoss ist es durch eine Türe dem internen Gebrauch vorbehalten. Beim Aufzug kann dies durch eine elektr. Steuerung erfolgen. Die Bewegungsachsen aus den umliegenden Bereichen werden so verbunden, dass sich auf dem Kirchplatz ein zentraler Verknüpfungspunkt der vorhandenen Fuß- und Radwege herausbildet. Überall, wo Treppen zur Niveauverbindung eingesetzt werden, stehen auch barrierefreie Alternativen zur Verfügung. So wird die Treppenanlage zum Kirchplatz hoch um eine 2,50m breite, auch für den Radverkehr sehr gut befahrbare Rampe ergänzt.
ORGANISATION / FUNKTION GEMEINDEHAUS
Das Gemeindehaus öffnet sich durch den großzügig verglasten Gemeindesaal zum Platz und zur Kirche. So drückt die ev. Kirchengemeinde Offenheit und Transparenz nach außen aus und belebt mit all ihren Aktivitäten gleichzeitig den Kirchplatz. Die notwendige Bestuhlung und Tische können direkt im Stuhllager untergebracht werden. Die Küche ist direkt am Foyer angegliedert, sodass sie sowohl den Gemeindesaal als auch den Außenbereich beschicken kann. WC und Lagerräume liegen ebenfalls erdgeschossig, sodass eine effiziente Andienung und eine zeitweise öffentliche Nutzung sichergestellt wird. Im Obergeschoss verfügt die Jugend über ihr „eigenes Reich“ mit zwei Räumen, Toiletten und einer großzügigen Dachterrasse.
ARCHITEKTUR
Die verschiedenen Richtungen der Wegeachsen, Geländekanten und Gebäudefluchten werden in der Kubatur des neuen Gemeindehauses aufgegriffen und in eine polygonale Figur übersetzt. Um den Bezug des Gebäudes zum Kirchplatz herzustellen, orientiert sich das Gebäude mit einem Giebel zum Platz. Das in Holzbauweise errichtete Gebäude steht am Übergang des Friedhofparks zum zentralen Dorfplatz, der an den Platzrändern üppig begrünt ist. Mit einer umlaufend vertikalen Holzlamellenfassade fügt sich das Gebäude in seiner Materialität harmonisch in diesen Grünraum ein und verleiht dem Kirchplatz einen angemessenen Charakter. Verglasungen stehen im spannungsvollen Kontrast zur geschlossen wirkenden Lamellenfläche und korrespondieren mit der klaren Formensprache der Freiflächengestaltung. Vor der raumhohen Glasfassade des Gemeindesaals sorgen im oberen Bereich offene Holzlamellen für eine Teilverschattung. Dadurch bleibt in der Innenwirkung ein intensiver Bezug zum Kirchplatz erhalten und gleichzeitig nimmt sich das Gemeindehaus in der Außenwirkung dieser Glasfassade in Bezug auf die Kirche bescheiden zurück.
ÖKOLOGIE
Grundstein für eine nachhaltige Gestaltung ist eine möglichst flexible Nutzbarkeit aller Flächen und eine hochwertige und langlebige Ausführung. Somit kann durch eine lange Nutzung eine sehr günstige CO²-Bilanz erreicht werden. Darüber hinaus soll mit der schwerpunktmäßigen Verwendung von Holzbaustoffen und einer intelligenten technischen Ausstattung des Gebäudes sowie mit der Verwendung von Natur- und Recyclingsteinen im Außenbereich ein konsequent nachhaltiger Planungsansatz verfolgt werden.
FREIANLAGEN
Zu den vorrangigen Zielen einer Neustrukturierung der Freianlagen zählt die Ausbildung eines lebendigen Ortskerns mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten, abwechslungsreichen Erlebnisräumen und hoher Aufenthaltsqualität sowie die Transformation zu einem klimagerechten Dorfzentrum mit intensiver Begrünung, nachhaltigen Materialien und intelligenter Regenwasserbewirtschaftung. Innerhalb der von Süden nach Norden bergauf gestaffelten Platzfolge bildet der baulich sehr prägnant gefasste Kirchplatz eine neue repräsentative Adresse und eindeutiges Zentrum. Besonnte Platzbereiche mit dem wieder belebten Dorfbrunnen vor der Jakobuskirche wechseln sich mit beschatteten Zonen unter breitausladenden Linden ab. Unter den Lindenkronen wird der Kirchplatz durch breite und hohe Hecken aus Hainbuchen, bzw. eine berankte „Schwere Hecke“ zum westlichen Bestandsgebäude hin und durch breite niedere Hecken aus Kornelkirsche und Feldahorn nach Süden eingefasst. So entsteht ein verkehrsbefreiter Platz mit ausgewogenen Proportionen in einer räumlich dörflichen Atmosphäre und hoher Aufenthaltsqualität. Die nördlich gelegene Aussegnungshalle ist über einen Rampenweg barrierefrei an die Kirche angebunden und führt durch neu angelegte intensiv begrünte Landschaftsstufen mit attraktiven Nutzungen, die den Grünraum des Friedhofs bis auf den neuen Kirchplatz heranführen und erlebbar machen. Die bisherige Pflegezufahrt des Friedhofs wird zu einem neuen Friedhofseingang aufgewertet. Flankierende Baumreihen begleiten den flach ansteigenden Weg zur Aussegnungshalle. In der Grünfläche bieten Sandsteinsitzkanten spannende Ausblicke in das Quartier und laden z.B. zu einem Gottesdienst im Freien ein. Ein Kinderspielplatz ergänzt die Grünfläche im westlichen Bereich. Auf der Nordseite der Kirche, etwas abgewandt vom belebten Kirchplatz und den Freiräumen des Gemeindehauses spielt sich das Kirchgebäude gegenüber dem ansteigenden Gelände frei, sodass Raum für einen Kirchgarten entsteht. Ein Ort der Kontemplation und der Besinnung mit weißem Blütenflor, sowie Heckennischen, großkronigen Bestandsbäumen, einem Quellstein und Sitzbänken, eingebunden in das bewegte Bestandsgelände mit Sandsteinmauern und Pflanzböschungen. Südlich des Kirchplatzes erhält das Gasthaus Krone einen Außenbereich unter einem Kastaniendach zur Nutzung als Biergarten oder als „Frühstücksraum“ an heißen Sommertagen. Ein Zwischenpodest zwischen Biergarten und Kirchplatz wird als Weinterrasse oberhalb der Tiefgarageneinfahrt ausgebildet, eingefasst mit Hecken und Rosen. Um den Kirchplatz vom Durchgangsverkehr zu befreien und ihn multifunktional nutzbar zu machen, wird er horizontal gestellt, sodass sich an seiner südlichen Kante eine Geländestufe ausbildet. Durch eine großzügige Freitreppe wird die Kirche inszeniert und gleichzeitig ein einladender Aufgang vom Kelterplatz zum Kirchplatz geschaffen. Dieser wird als breite behindertenfreundliche Rampe für Fußgänger und Fahrradfahrer ausgebildet. Die Vielzahl an Aufenthaltsgelegenheiten an den Sitzstufen, einem Biergarten, einer Weinterrasse, Brunnenplätzen und dem schattigen Kirchgarten laden zum Verweilen ein.
NACHHALTIGE MATERIALIEN
Über die Oberflächenmaterialität, Bepflanzung und Ausstattungsgegenstände innerhalb der Platzfolge soll eine klare und prägnante Materialgestaltung vermittelt werden.
Das vorliegende Konzept ist als zentrales Entwurfsmotiv durch Nachhaltigkeit geprägt. Aufgrund der Tatsache, dass Natursteinpflaster mit Abstand die beste CO²-Bilanz vorweisen kann, werden Natursteinmaterialien in den Freianlagen verwendet. Gebrauchte Natursteinmaterialien sind vorhandene und dauerhaft natürliche Baustoffe mit ver- gleichsweise geringer Verarbeitungsenergie für deren Weiterbearbeitung und Wiederverwendung.
In den Platzbereichen und Belagsflächen werden gebrauchter Granit in Form von mittig gesägtem Großpflaster, Anschlüssen aus Kleinpflaster, Randsteine und Blockstufen jeweils in wechselnden hellen Farbtönungen vorgeschlagen. Die aufgehenden Stützmauern, Verblendungen von Betonmauern, Sitzblöcke sowie die Wasserelemente mit dem Brunnentrog auf dem Kirchplatz und dem Quellstein im Kirchgarten sind aus regionalem Sandstein vorgesehen.
Weitere Ausstattungsgegenstände aus Metall werden gusseisern / mittelgrau, zur Ergänzung des modernen dörflichen Gestaltungscharakters. So entsteht eine angenehme freundliche Platzsituation in den dörflichen Dimensionen, eingefügt in die anspruchsvolle Hangsituation der Dorfmitte. Den unterschiedlichen Aufenthaltsbereichen werden eine Vielzahl an Sitzgelegenheiten zugeordnet, sowohl an sonnigen als auch beschatteten Standorten.
HEIMISCHES BEPFLANZUNGSKONZEPT
Die Neupflanzungen erfolgen unter dem Anspruch, eine hohe Biodiversität zu generieren, möglichst alle Bestandsbäume in das neue Konzept zu integrieren und darüber hinaus eine Nachverdichtung der Baumstandorte zu erreichen. Lediglich fünf kleinere Bäume im Bereich des Gemeindehauses, der Kirchgasse 10 an der Hofeinfahrt des Gasthof Krone entfallen. Das Konzept ist durch eine konsequente Verwendung von vielfältigen heimischen und klimaresilienten Arten und Klimabäumen geprägt. Dadurch wird die Biodiversität gestärkt und gleichzeitig dem gestalterischen Anspruch im Weinbauklima Rechnung getragen.
Als prägnante Solitärbäume werden Lindenarten, Hainbuchen, Kastanien (im Biergarten mit gerichteter Krone), Baummagnolien, Wildäpfel, Wildkirschen, Traubenkirschen und Felsenbirnen gepflanzt. Kletterpflanzen wie verschiedene Wein- und Rebunterlagen, Clematis und Wilde Kletterrosen sind zur Berankung entlang der „Schweren Hecke“, als westliche Einfassung des Kirchplatzes vorgeschlagen. Strauchpflanzungen, als Solitär oder in Gruppen, werden im Bereich des Kirchgartens, des Spielplatzes und im westlichen Außenbereich der Aussegnungshalle platziert. Dies sind robuste und rückschnittverträgliche Arten zur Verwendung im öffentlichen Grün, beispielsweise Liguster und Hartriegel in Sorten. Die Heckenpflanzungen erfolgen als Hainbuchen- bzw. Feldahornhecken und als berankte Lärmschutzhecke am westlichen Kirchplatzrand. Im Spielplatz- und Sitzstufenbereich nördlich der Kirchgasse werden trockenheitsverträgliche und robuste Rasenansaaten mit Wildkräutern eingeplant. Neue Staudenpflanzungen sowie Böschungsbereiche werden hauptsächlich mit trockenheitsresistenten Wildstaudensäumen angelegt.
Die Staudenpflanzungen im neuen Kirchgarten befinden sich dahingegen im halbschattigen bis schattigen Bereich. Durch 3-reihige Heckenpflanzungen aus Kornelkirsche und Liguster wird der Kirchgarten zur nördlichen Kirchgasse hin eingerahmt. Die Bestandsbäume (Spitzahorn und Linde) werden erhalten und unter- pflanzt. Die einzelnen Staudenbereiche werden teilweise mit schmalen, niederen Buchshecken oder buxusblättrigen Japan-Stechpalmen umrahmt.
Innerhalb der Heckenränder befinden sich weiße Rosen mit Salbei, weiße Taglilien mit niedrigem Waldgeißbart, Pfingstrosen mit Purpurglöckchen, Silberkerzen, Elfenblumen und Storchschnabel, sowie Astilben mit Elfenblumen, Funkien, Storchschnabel, Farn und Waldgeißbart. Die Wege im Kirchgarten werden als Rasenfugenpflaster mit trittfesten Kräutern wie weißer Thymian angelegt. ÖKOLOGIE UND REGENWASSERMANAGEMENT Die Entwässerung vom Platz, von den Dächern der Kirche und vom neuen Gemeindehaus wird über Zisternen gesammelt. Das Regenwasser aus den Zisternen wird zur gezielten Grünflächenbewässerung der neuen artenreichen Baum- Hecken- und Staudenpflanzungen und den Kirchgarten wiederverwendet. Erst wenn alle Zisternen gefüllt sind, wird überschüssiges Regenwasser über die Vorflut abgeleitet. Die drei Solitärlinden westlich am Kirchplatz und weitere Baumreihen wie die Kastanien am Biergarten stehen auf Baumrigolen. In den Baumrigolen wird das Regenwasser aus den Zisternen gespeichert und verzögert an die Bäume abgegeben.